In American English:Movie Review: Beneath the Valley of the Planet of the Bicycles
Filmbesprechung: Der
Planet der Fahrräder
Übersetzung (mit kleinen Änderungen) durch
Christoph Reuss, erschienen in einer Regionalausgabe
vom Schweizer VeloJournal.
Vorbemerkung: Ich
schaute diesen Film spätabends an -- es kann also sein, dass ich
einige Details falsch in Erinnerung habe...
Am Anfang dieses
Filmklassikers fliegt ein Astronaut mit seinem Raumschiff hinaus in die
endlosen Weiten des Weltalls. Er redet über seine grosse
Leidenschaft -- das Autofahren -- und über seine Wut auf Politiker,
Katalysatoren, Verkehrsstaus, Busse, Steuern, den Treibhauseffekt und die
Grünen. Offensichtlich ging er auf diese Reise in der Hoffnung,
einen Planet zu finden, auf dem er nicht mehr eingeengt wird durch Gedanken
an anderer Leute Gefühle, Wohlergehen oder gar Überleben.
Ich fragte mich allerdings, wie er erwarten konnte, auf einem verlassenen
Planet ohne Autobahnraststätten, Tankstellen und Garagen genussvoll
autofahren zu können.
Jedenfalls,
während ich mir Popcorn zubereitete und ein Getränk eingoss,
kletterten drei der Astronauten aus ihren Tiefschlafkapseln, während
der vierte zu Staub zerfiel; das Raumschiff landete unsanft auf einem
Planet, die Astronauten stiegen aus, tankten ihr Mondauto mit den letzten
Treibstoffresten des Raumschiffs, und fuhren los in die Wüste -- auf
der verzweifelten Suche nach einer Tankstelle, einer Öllache, oder was
auch immer. (Plötzlich hatten sie selber reichlich Popcorn und
Getränke, also war Nahrung nicht ihre Sorge.)
Die nächsten
60 Minuten konnte man ihnen zuschauen, wie sie durch die Wüste fuhren
und dabei in wahnsinnig langweilige Streitgespräche verfielen.
Plötzlich
verliessen sie die Wüste und stiessen auf eine grosse Anzahl von
Pistenmobilen und Motorrädern, die von wilden Gestalten durch ein
neues Kornfeld gesteuert wurden. Gerade als die Astronauten ein
Wettrennen mit ihren neuen "Freunden" beginnen wollten, ertönten
plötzlich Fahrrad-Sirenen, und die Pistenmobile und Motorräder
rasten in blanker Panik durcheinander, über eine Klippe in einen Fluss
darunter, oder direkt in Bäume hinein. In dem wilden
Durcheinander überschlug sich das Mondauto der Astronauten, einer kam
dabei um und die anderen wurden verletzt. Aber der wahre Schock kam,
als die Verfolger auftauchten: Sie fuhren Fahrräder!
Nach seiner
Festnahme entdeckte der Astronaut, dass er in einer verkehrten Welt
gelandet war, in der Motorfahrzeuge verboten waren! Er und die
anderen Motorfahrer wurden in Käfige gesperrt (aus irgend einem Grund
wurde ein dumm aussehendes Talmädchen mit in seine Zelle geworfen),
und sein Astronautenkollege wurde einer Lobotomie [Gehirnoperation]
unterzogen für die Behauptung, Autos seien besser als
Fahrräder. Gemäss den Leuten auf diesem Planet hatte sich
die Fahrradkultur aus der primitiveren Autokultur fortentwickelt.
Aber der Astronaut
war fest entschlossen, ihnen das Gegenteil zu beweisen. Er nahm sich
vor, auszubrechen, mit etwas Treibstoff in seinem Mondauto zu fliehen, eine
gute Ölquelle zu finden, seine eigene Strassengang zu gründen,
und dann allen anderen zu zeigen, dass Autos überlegen sind, indem er
mit Vollgas nachts durch die Stadt rasen würde. (Die
beschlagnahmten Pistenmobile und Motorräder waren mit Pferden in die
Stadt gezogen und dann einzeln zu Schrott zerhackt worden.)
Doch bei jedem
Ausbruchsversuch wurde er geschnappt, vor allem weil er nicht fit genug
war, sich unmotorisiert fortzubewegen. Jedesmal endete sein
Fluchtversuch mit einem Faustkampf, in dem er einmal die berühmten
Worte schrie: "Lass die Hände von mir, du dreckiger
Radfahrer!"
Wegen seinem
Verhalten wurde ihm nun der Prozess gemacht. Der Astronaut beharrte
darauf, dass Autos überlegen sind und mehr Lebensqualität
bringen. Die Richter hingegen erklärten, Fahrräder seien
besser, und seien später eingeführt worden, um die vom
Autoverkehr geschaffenen Probleme zu lösen. Aufgrund seiner
Uneinsichtigkeit wurde der Astronaut schliesslich zum Tode verurteilt.
Einer der Richter
kam später zu ihm in die Zelle, um ihm die Begnadigung anzubieten
für den Fall, dass er doch noch Einsicht zeigen würde. Der
Richter erzählte, dass die umgebende Wüste durch die Folgen des
Autoverkehrs entstanden war, und nun die Wiedereinführung von Autos
mit allen Mitteln verhindert werden musste, um zu bewahren, was von dem
Planet noch übrig geblieben war. Die Richter wollten das
Todesurteil nicht vollstrecken, sondern ihn so dazu bringen, seine Position
zu widerrufen. Der Astronaut blieb aber stur und sagte, er wolle
lieber sterben, als in einer Welt ohne Autos zu leben.
Einige
Gefängniswärter waren so empört über das harte Urteil,
dass sie ihm halfen auszubrechen, und ihm genug Treibstoff (Alkohol) gaben,
um mit seinem Mondauto hinaus in die Wüste zu fahren. Sie
wollten aber das Talmädchen nicht mit entkommen lassen, worauf er
jedoch bestand (die beiden hatten wohl Gefallen aneinander gefunden, trotz
ihrer scheinbaren extremen Unterschiede).
Ursprünglich
war die Wüste der letzte Ort, an den der Astronaut hätte fahren
wollen, aber nun dachte er, er könne dort vielleicht Öl finden,
also fuhr er direkt in diese "verbotene Zone". Natürlich folgten
dann viele Verfolgungs-Szenen und Versuche der Radfahrer, den Astronaut zu
schnappen, aber da nickte ich eine Weile ein und verpasste so zum
Glück die meisten dieser Szenen.
Auf seiner Flucht
entdeckte der Astronaut einen Tunnel in die Tiefe, in den er schnell
hineinfuhr. Der Tunnel führte in ein unterirdisches
Strassennetz. Alle Strassen standen dicht gedrängt voller
grosser Autos mit klobigen Auspuffrohren. Offenbar waren die Autos in
einem riesigen letzten totalen Verkehrsstau steckengeblieben. Die
Skelette in den Autos liessen darauf schliessen, dass die Leute in ihren
Fahrzeugen erstickt waren. Scheinbar war die Stadt kurz danach vom
Treibsand der Wüste zugedeckt worden.
Der Astronaut
konnte mit seinem schmalen Mondauto auf dem Gehsteig weiterfahren. Er
suchte nach der Ursache des Verkehrsstaus und hoffte, etwas Benzin zu
finden. Endlich fand er eine riesige Tankstelle, an der hohe Plakate
Benzin-Rationierung ankündigten. Als er zur Tankstelle einbog,
sah er kleinere Schilder, auf denen stand, dass das letzte Benzin
ausgegangen war.
In diesem Moment
ging dem Astronaut plötzlich auf, dass er auf der Erde gelandet
war, nur ein paar Generationen nach seinem Abflug. Und genauso
plötzlich wurde mir klar, warum ihm das Talmädchen gefiel.
Schliesslich sprachen und schrieben hier alle Englisch, und verwendeten
sogar ziemlich zeitgemässe englische Umgangssprache und
Ausdrücke. Ausserdem glichen alle Pflanzen, Tiere und Menschen
genau denen auf der Erde. Aufgrund seiner Astronautenkleidung hatte
ich irgendwie angenommen, er habe ein wissenschaftliches Verständnis
von der Welt. Nur ein in den USA geborener Autofahrer konnte wohl so
ethnozentrisch und unwissenschaftlich sein, zu erwarten, dass auf einem
fremden Planet jedermann Englisch spricht und alle Lebewesen genau so wie
die in den USA aussehen. Offenbar genügte der Umstand, dass man
auf diesem Planet Fahrräder für überlegen hielt, um den
Astronaut davon zu überzeugen, dass er auf einem fremden Planet
gelandet sein musste.
Trotzdem war diese
Erkenntnis ein grosser Schock für ihn, und während er auf sein
Armaturenbrett pochte, schluchzte er: "Sie haben es getan! Sie
haben es getan! Diese Narren! Ich hätte nie gedacht,
dass sie so weit gehen würden!" -- In diesem Moment wunderte ich
mich, was er wohl meinte, was sie getan hatten. -- Da heulte er
los: "Sie führten die Benzin-Rationierung ein!!"
Er glaubte
anscheinend, dass limitierte Ölvorkommen und der Treibhauseffekt
blosse Märchen waren, und das Ende des Benzins von den Grünen
anstatt von den Umweltverschmutzern herbeigeführt worden war.
Ich muss wohl
erneut eingenickt sein. Als ich wieder aufwachte, wurde der Astronaut
gerade von einer Horde Mutanten gefangen genommen, welche in dem
Tunnelsystem lebten, und eine Atombombe anbeteten. Er sagte dem
Talmädchen, die von denen angebetete Bombe sei eine
Weltuntergangs-Maschine, wie bescheuert die doch seien, diese anzubeten,
und wie sehr er befürchtete, die könnten die Bombe
zünden. Mit dem Talmädchen zu reden, war natürlich wie
mit einer Wand zu reden, ausser man sagte etwas das sie verstehen konnte,
wie zum Beispiel "Hey, diese engen Jeans sehen cool aus!" oder "Unsere
Kaugummis sind bald all!"
Doch in diesem
Moment tauchten die Radfahrer auf, die ihn bis hierher verfolgt
hatten. Im folgenden Kampf zwischen den Mutanten und den Radfahrern
benutzte der Astronaut einen unbewachten Moment, um zur Bombe zu
stürzen, auf den roten Knopf zu drücken, und so den ganzen Planet
zu zerstören. Wenn er schon nicht autofahren durfte, wofür
lohnte es sich dann zu leben? Eine Welt ohne Autos gehört
zerstört! Dieses Verhalten widersprach aber seinen
früheren Äusserungen über bescheuerte Bombenanbeter.
Anscheinend fand er, das bescheuerte an deren Benehmen sei, dass sie die
Bombe anbeteten, anstatt sie einzusetzen.
Am nächsten
Morgen kurierte ich mein Kopfweh und analysierte den Film. Meine
erste Schlussfolgerung war, dass es eine Zeitverschwendung ist, irgend
einen Sinn in einem Hollywood-Film zu suchen. Eine
spätabendliche Radfahrt hinaus in die Landschaft hätte mir wohl
grössere Einsichten in die Realität gebracht. Meine zweite
Schlussfolgerung war, dass der "Held" dieses Films wohl der typische Held
des Benzinzeitalters war, ein rechter Autofanatiker, der lieber einen Kampf
vom Zaun reisst oder den Planet zerstört, als Probleme mit Vernunft
und Kompromissen zu lösen. Ein solcher Typ wäre vermutlich
besser als Anführer der National Rifle Association geeignet denn als
Astronaut. Der Film stellt die Radfahrer als gewalttätiger und
aggressiver dar als die Autofahrer, dabei habe ich noch nie gesehen, dass
zwei Radfahrer (oder irgendwelche Erwachsenen) ihre Differenzen mit einem
Faustkampf ausgetragen hätten. Meine dritte Schlussfolgerung
war, dass so viele Details des Films so unglaublich sind, dass eine
nähere Analyse aussichtslos ist.
Ich fand es aber
leicht vorstellbar, dass es das Fahrrad immernoch geben
wird, nachdem der Verbrennungsmotor eine ferne Erinnerung ist, egal was
passiert. Natürlich werden Autofans ihre Vehikel so lange
anbeten bis sie ganz auseinanderfallen (wie das gerade in Kuba
geschieht). Aber die Erde hat nur beschränkte Rohstoffe, und wir
erreichen diese Schranke bald. Ob wir uns nun auf einige
Einschränkungen einigen, um die Phase der Autobenützung zu
verlängern und die Schäden an Biosphäre und Klima
einzudämmen, oder ob wir uneingeschränkten Benzinverbrauch
erlauben, bis der letzte Tropfen Öl verbraucht ist und Mutter Natur
durchgedreht ist -- so oder so sind die Tage der fossilen Treibstoffe
gezählt.
Irgendwo in einer
Höhle in der Zukunft, wenn hoffentlich die Erdoberfläche voller
Blumen und Bäume und Vögel ist, nicht eine Wüste, wird eine
Gruppe von heimlichen Autoanbetern sich um den letzten, lange versteckten
Benzinschlucker herum versammeln, um davon zu träumen, die Strasse
entlang zu rasen und Radfahrer von der Strasse zu drängen. Sie
werden die rituellen Bierdosen austrinken und die rituellen Zigaretten
päffen, und den Tagen nachtrauern als Männer noch Männer
waren und das Faustrecht die Vorfahrt den Starken und Mächtigen
gab. Und sie werden ein gewalttätiges Gelöbnis
schwören: "Wenn ich gross bin, werde ich mir von niemandem
vorschreiben lassen, was ich zu tun habe!" Dann werden sie schnell
nach Hause rennen, bevor ihre Mütter merken, dass sie ihre
Hausaufgaben immer noch nicht gemacht haben.
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